Einsatzbericht geschrieben von Dirk Schelling
Datum Meldung Alarmzeit Eingerückt Fahrzeuge
14.03.2002 Verkehrsunfall, Kraftstoff läuft aus 10.02 Uhr 16.00 Uhr TLF, RW2
Harmloses Einsatzstichwort: "Verkehrsunfall - Kraftstoff läuft aus"

Bagatelleinsatz ? Läuft vielleicht doch nur Kühlerflüssigkeit aus? Gibt es Verletzte? Einsatzstelle absichern, Brandschutz sicherstellen, Batterien abklemmen, Kraftstoff aufnehmen, Auslaufen eindämmen, Abstreuen, Strasse fegen. Diese oder ähnliche Stichworte gingen den Einsatzkräften der Freiwilligen Feuerwehr Karlsruhe, Abteilung Neureut, sicherlich auch bei dieser Alarmfahrt an einem Donnerstag Vormittag durch den Kopf.

Alarmierung:
Am Donnerstag, den 14.03.2002 wurde die Abteilung Neureut der Feuerwehr Karlsruhe durch die gemeinsame Feuerwehrleitstelle für den Stadt- und Landkreis um 10:04 Uhr alarmiert. Einsatzstichwort: "Verkehrsunfall - Kraftstoff läuft aus". Gemäss der Alarm und Ausrückeordnung der Feuerwehr Karlsruhe wird dieser Einsatz durch die Abteilung Neureut selbständig abgearbeitet. Die Fahrzeuge RW 2 und TLF 16/25 rückten mit einer Gesamtstärke von 2/7 nach kurzer Zeit aus.

Die Unfallstelle lag an einer vierspurig ausgebauten Landesstrasse, die am Ortsausgang den Zubringer zur Bundessstrasse 36 Richtung Mannheim bildet. Der um 10:11 Uhr zuerst eintreffende RW 2 meldete der Leitstelle, dass die Unfallstelle nicht im genannten Kreuzungsbereich "Linkenheimer Landstrasse / Blankenlocher Weg" lag, sondern auf der Linkenheimer Landstrasse in Fahrtrichtung Norden. Rettungsdienst und Notarzt waren zu diesem Zeitpunkt bereits eingetroffen, woraufhin die Leitstelle bekannt gab, dass diese zur Versorgung eines verletzten Motorradfahrers hinzualarmiert wurden. Das TLF 16 traf kurze Zeit später ein (10:12 Uhr).

Einsatzablauf:
Die Feuerwehr stellte mit der Schnellangriffseinrichtung des Tanklöschfahrzeuges den Brandschutz sicher. Ausgelaufener Kraftstoff wurde mit Ölbindemittel abgestreut, die Batterien des am Unfall beteiligten PKW und des Motorrades wurden abgeklemmt.

Die Absicherung der Einsatzstelle nahm die Polizei mit Unterstützung der Feuerwehr wenig später mittels Vollsperrung der beiden Fahrspuren vor.

Schnell wurde klar, dass der Rettungsdienst, welcher mittlerweile mit zwei RTW und einem NEF vor Ort war, mit der Versorgung des schwerverletzten Motorradfahrers voll ausgelastet war, woraufhin die Feuerwehr die Betreuung des 87-jährigen PKW Fahrers übernahm. Der PKW Fahrer stand sichtlich unter Schock, war jedoch nicht weiter verletzt.

Die intensiven Maßnahmen an dem Motorradfahrer machten es erforderlich, dass auch hier die mittlerweile freigesetzten Feuerwehrkameraden mit eingebunden werden mussten: Infusionen halten, Kleidungsstücke aufschneiden, gebrochene Extremitäten halten, Patient mehrfach zum Ausräumen des Rachenraumes wenden, u.a. Die Schwere der Verletzungen wird klar, wenn man betrachtet, dass zu diesem Zeitpunkt insgesamt eine Notärztin, fünf Rettungsdienstmitarbeiter und drei Kameraden der Feuerwehr mit der Versorgung des Motorradfahrers beschäftigt waren. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass keiner der eingesetzten Feuerwehrkräfte eine Rettungsdienstliche Ausbildung hat und an Einsätzen dieser Art bislang nur selten bzw. gar nicht teilgenommen hatte.

Mittlerweile wurde der Leitstelle mitgeteilt, dass der erwartete Rettungshubschrauber nördlich der Unfallstelle landen solle, da der vordere Bereich durch die Straßenbeleuchtung sehr eingeschränkt war. Hierzu kam es jedoch nicht mehr, da der Motorradfahrer während der Behandlung seinen Verletzungen erlag und nichts mehr für ihn getan werden konnte.

Unfallhergang:
Der 87 jährige PKW-Fahrer stoppte sein Fahrzeug unvermittelt auf der rechten Fahrspur und legte aus nicht nachvollziehbaren Gründen den Rückwärtsgang ein. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich vermutlich der 42-jährige Motorradfahrer auf der linken Fahrspur und wechselte, nachdem er den Kreuzungsbereich passiert hatte auf die rechte Fahrspur über. Hier fuhr er ungebremst, was darauf zurückschliessen lässt, dass er keine Zeit hatte, zu reagieren, auf den PKW auf. Beim Aufprall schleuderte der Motorradfahrer über den Lenker seiner Maschine, die sich bis zur Hälfte in den Kleinwagen bohrte und kam links vor dem PKW auf der Fahrbahn zum liegen.

Nachbetrachtung:
Die wahre Dramatik des Einsatzes traf die eingesetzten Kräfte erst nachdem der Motorradfahrer verstorben war. Es war ein Kamerad der Nachbarwehr, der einigen sogar persönlich bekannt war. Viele Eindrücke mussten verarbeitet und vor allem verkraftet werden. Hinzu kam, dass der Einsatz nicht einfach abgehakt werden konnte, sondern dass der dramatische, völlig absurde Unfallhergang die Kameraden ebenso beschäftigte, wie die Rettungsaktion und die Tatsache, dass es ein Feuerwehrkamerad war. Dem bedrückenden Schweigen während der Rückfahrt folgten mehrere Einzel- und Gruppengespräche im Kameradenkreis, um dieses Ereignis verarbeiten zu können. Hilfestellung gibt es bei der Abteilung Neureut in solchen Situationen durch einen ausgebildeten Notfallseelsorger, der auch schon bei zurückliegenden Einsätzen in Anspruch genommen wurde. Branddirektor Klaus Maurer lies sich persönlich vom Einsatzgeschehen berichten und bot auch die Hilfestellung seitens der Branddirektion an.

Fazit:
Ein Einsatz der sogar vielen Kameraden sehr nahe ging, die nicht unmittelbar daran beteiligt waren.

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